IN BETWEEN (ERIC KRESSNIG, ISTVÁN NÁDLER) German
Es ist stets eine Herausforderung, das Werk zweier Künstler gemeinsam zu präsentieren, und die Frage ist noch komplexer, wenn es um Künstler geht, deren Werk so polyedrisch ist wie István Nádlers (Visegrád, Ungarn 1938) und Eric Kressnigs (Klagenfurt, Österreich 1973). Sowohl Nádler als auch Kressnig arbeiten mit unterschiedlichen Medien, die oft miteinander zusammenhängen (Skulptur, Installation, grafisches Werk, etc), auch wenn bei beiden die malerische Sprache grundlegend ist, um die Gesamtheit ihres Werks zu verstehen. István Nádler studierte Malerei an der Képzomuvészeti Foiskola in Budapest bei Hincz Gyula als Lehrer und Mentor. Eric Kressnig war Student der Malerei und der grafischen Kunst bei Gunter Damisch an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der malerische Charakter eines Kunstwerks lässt sich leicht herausspüren – auch wenn das Medium nicht die Malerei ist – und in den Werken dieser zwei Künstler trifft man auf Aspekte wie die Erlesenheit der Farbpalette, die Vielfalt der Unterlagen oder die verschiedenen Texturen, welche den Maler als Urheber zu erkennen geben.
Nádler und Kressnig sind Perfektionisten und verfeinert. Man könnte auch so weit gehen, zu sagen, dass sie in vielerlei Hinsicht obsessiv sind, und jede Obsession impliziert Radikalität. Die radikale Reduktion äußert sich formal als das, was man minimalistische Sprache nennt: eine Geste, eine Linie, eine einfärbige Oberfläche: Weniger ist mehr.
Die beiden Künstler gehören zu unterschiedlichen Generationen, auch wenn beide in einem Gebiet leben und sich in einem Gebiet gebildet haben, das geografisch und historisch an eine Tradition gebunden ist, die zwar diskret, weil minoritär, ist, aber auch extrem verwurzelt, und die mit den geometrischen Sprachen der Kunst zusammenhängt. Beispiele für diese Tradition sind Persönlichkeiten, die heute noch Bezugspunkte für viele junge Künstler*innen sind: Marc Adrian, Dóra Maurer, Vera Molnár, Helga Philipp, etc.
Auf nicht immer offensichtliche, aber kontinuierliche Weise, haben beide Künstler unterschiedliche Projekte entwickelt, die durch eine gleiche Logik der Annäherung verbunden sind: die Geometrie. Die geometrische Sprache ist für ihr Werk grundlegend, auch wenn man es nicht immer auf den ersten Blick sieht.
In einem 2019 geführten Interview mit Hans Ulrich Obrist sprach István Nádler über gewisse Perioden seines Werks unter Bezugnahme auf eine „emotional geometry“. Bei diesem Begriff – zum ersten Mal verwendet von Lóránd Hegyi im großartigen Katalog von 2001 – geht es um ein von zwei entgegengesetzten Polen innerhalb des schöpferischen Prozesses generiertes Spannungsfeld: ein intuitiver Teil und ein rationaler Teil. Dem begegnet man in vielen seiner Gemälde: Es erscheinen das Bewusste und das Unbewusste, der Intellekt und das Visuelle, die Reflexion und die leidenschaftliche Geste in ständiger Aufeinanderfolge.
Im Interview von Obrist mit Nádler ist die Rede von der geometrischen Form des Quadrats, ebenso von den diagonalen Linien, die immer wieder in späteren Kompositionen zu sehen sind. Auch von der Spirale, einem weiteren wiederkehrenden Element in seinem Werk. Alle diese Formen sind präsent und bilden die Achse der eigentlichen malerischen Komposition. Aber jenseits des metaphysischen Sinns, den Nádler diesen geometrischen Formen gibt (er spricht vom Quadrat als Symbol der Existenz, der Diagonalen, die sich auf den Lauf der Zeit bezieht, oder von der Spirale, die für den permanenten Wandel steht), zeigt der Künstler kein großes Interesse dafür, sich detailliert darüber zu äußern, im Gegensatz zu seiner konkreten Erfahrung mit der Farbe, die er sehr wohl – in Einzelheiten – verbalisiert, wie zum Beispiel sein Verzicht auf Farbe und die Bevorzugung des Weißen während einer langen Periode seines Werdegangs. Diese zwei Arten, sich der Malerei anzunähern (ein Teil eher rational und verbalisiert, ein anderer irrational und intuitiv), diese Form von „emotional geometry“, konvergieren im Verlauf des Werks István Nádlers in verschiedenen Dynamiken und Prozessen.
Die Prinzipien der Wiederholung, des Rhythmus oder der Systematisierung in der Anordnung geometrischer Elemente oder die Frage der Proportionalität, die Eric Kressnig mit kalkulierter Strenge anwendet, verorten sein Werk unbestreitbar innerhalb der Tradition der konkreten Kunst. Jedoch, weit entfernt vom distanten und antisubjektiven Charakter, der oft die konkrete Sprache kennzeichnet, kann das Werk Eric Kressnigs als ein Gefäß unterschiedlicher Gefühlsregister definiert werden, die auf sehr besondere Weise kombiniert werden.
Gefühlsregister, die sich in den unterschiedlichen, sorgfältig ausgewählten Hölzern materialisieren, die der Künstler mit anderen Materialien verbindet, wie dem leichtem Plexiglas, mit dessen Transparenzen er spielen kann, oder dem Stahl – poliert und glänzend – der eine Art von bildhauerischer Unterlage einbringt. Auch die Vielfalt der Texturen der unterschiedlichen Leinwände und Papiersorten, die als Unterlagen dienen, auf denen der Künstler die Farbe aufträgt: graziles Pastell oder leuchtende Töne, weit entfernt von den Grundfarben oder den neutralen Tönen, die eher den geometrischen Sprachen eigen sind. Zuletzt die Frage der Proportionalität, die das Werk Eric Kressnigs so speziell macht: Diese Frage ist in vielen seiner Werke präsent, sowohl in den Maßen-Verhältnissen zwischen Elementen als auch in der Verteilung dieser Elemente im malerischen oder realen Raum, wobei der menschliche Körper als Referenz dient – der Kopf in Relation zum Ganzen, der Ellbogen zum Arm, die Faust zur Hand u.s.w. Aus all diesen Gründen ist das Werk Eric Kressnigs ebenso radikal in der kompositorischen Strenge wie nah und menschlich einfühlsam in der Ausführung.
Pia Jardí
Aus dem Katalanischen übersetzt von Heinrich Blechner
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