Arcadia in Decay – German
Arcadia in Decay – German
Zu den typischen und faszinierendsten Elementen der Landschaften der Romantik im neunzehnten Jahrhundert zählen Ruinen. In einer den Menschen beherrschenden Natur sind es Ruinen als Reste vergangener Zivilisation, die den Betrachter verführen und in eine vielleicht bessere Zeit versetzen. Dieser emotionale und subjektive Aspekt findet sich in den Landschaften von Moni K. Huber wieder, welche verlassene und verwahrloste Architektur in der Natur darstellen.
Moni K. Huber begann nach einer Reise an die kroatische Adriaküste im Frühjahr 2014 an Bildern der dort besichtigten Ruinen zu arbeiten. Dabei besuchte die Künstlerin heute verlassene Tourismuskomplexe, die der jugoslawische Staat seit den Sechzigerjahren – jener Zeit, in der der Tourismus in Europa zum Massenphänomen wurde – errichten lassen hatte. Viele dieser Gebäude wurden von den renommiertesten Architekten jener Jahre entworfen und auch die Gestaltung der Innenräume namhaften Spezialisten anvertraut, so dass diese Architektur zum Schaufenster der Qualitäten jenes „offenen Sozialismus“ wurde, mit dem Jugoslawien sich damals der Welt präsentierte.
Wie auch in ihren anderen Serien nähert sich Moni K. Huber über Fotodokumentation und Recherche den Gebäuden und Anlagen ihres Interesses. Unter diesen finden sich das Motel Slieme-Panorama in Preluk/ Rijeka, und der Hotelkomplex Haludovo in Malinska auf der Insel Krk, die nun beide seit einigen Jahren leer stehen. Einzigartig dabei war auch die Beteiligung des amerikanische Penthouse-Herausgebers Bob Guccione, der mit der Zustimmung des jugoslawischen Staates eine Millionensumme in eines der Kasinos des Ressorts Haludovo investierte. Dieser Umstand war weithin bekannt und trug damals sicherlich dazu bei, jenem Hotel noch zusätzlich „Glamour” zu verleihen. Heute sind die Komplexe Bühnen des Verfalls. Von den einst opulenten Bauten bleiben leere, desolate Schwimmbecken, Schutt und Scherben inmitten wuchernder Vegetation, von einst weiträumigen Empfangshallen sind nur noch Grundstrukturen aus Beton und eingefallenes, mit Graffiti besprühtes Mauerwerk zu sehen.
Ein großer Teil des lokalen Publikums wird in den Gebäuden auf Moni K. Hubers Bildern ein Stück kollektiver und wohl auch individueller Geschichte wiedererkennen. Vermutlich wecken diese Landschaften in vielen Betrachtern eine gewisse Nostalgie und womöglich ähnelt dieses Empfinden dem von Zeitgenossen beim Betrachten eines romantischen Gemäldes.
Man könnte Moni K. Hubers Thematik dem traditionellen Genre der Landschaftsmalerei zuordnen. Jedoch fernab der behaupteten spontanen Inspiration des romantischen Künstlers angesichts der Natur „konstruiert“ Moni K. Huber ihre Landschaften in einem spielerischen Prozeß, der die vorhergehende Dekontextualisierung und Neuordnung der Bilder umfasst.
Diese Bilder sind Teil des Archivs der Künstlerin, das Fotos, Zeichnungen, Notizen und Aquarell-Farbproben von den Schauplätzen umfasst. Diese Dokumentation – ein großer Teil des Materials hängt in ihrem Atelier oder liegt während der Arbeit auf Tischen ausgebreitet – durchläuft ein Auswahlverfahren, wird manipuliert, die Fotos werden vergrößert und auf Büttenpapier ausgedruckt, Silhouetten ausgeschnitten, Farbe aufgetragen und manche Ausschnitte dann auf die Leinwand kaschiert.
Es entsteht beispielsweise ein fotografisches Bild, welches das grüne, schillernde Blattwerk eines Baums wiedergibt, das Blau der Aquarellfarbe, welches ein Stück des Himmels ist, oder ein gedrucktes, zurechtgeschnittenes Foto, dessen Textur das Raue des Zements einer Mauer nachahmt. Jeder gedruckte Ausschnitt, jeder auf die Leinwand aufgetragene Tropfen Aquarellfarbe, jeder Schnitt ist ein Fragment des Ganzen und gleichzeitig ein Ganzes: ein Bild innerhalb eines großen Bildes.
Der Betrachter kann sich auf eine Art Kamerafahrt durch das Bild begeben, wie in Zeitlupe von einem Fragment zum nächsten wandern, dieses als eigenständiges Bild betrachten und den Rest in Unschärfe verschwimmen lassen, um schließlich zu einem neuen Bildausschnitt weiterzuwandern. Die Künstlerin ist sich dieser Wege des Blickes, die an Details fotografischer Objektivität hängen bleiben, bewusst. Gleichzeitig vernachlässigt sie in subtiler Weise malerische Details, verwischt Konturen und Farbfelder und hinterlässt auf der Leinwand Materialspuren von dicken Tropfen, Kunstharz und klumpiger Ölfarbe.
Wie die Nebel auf den romantischen Landschaftsbildern des 19. Jahrhunderts die Ruinen verhüllen, so erzielen die undeutlichen Silhouetten, die erzwungenen Unschärfen und die eigenwilligen Farbtropfen diesen subjektiven und sehnsuchtsvollen Effekt. Wir als Betrachter imaginieren jenseits dieser verschwommenen Formen was nicht zu sehen ist.
Übersetzung aus Katalanisch: Heinrich Blechner
Katalog: “Arcadia in Decay“
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