Tér & Geometria – German
Tér & Geometria – German
Das Werk Helga Philipps (Wien, 1939-2002) zählt zu den geometrischen und konstruktiven Bewegungen der Sechzigerjahre, die viele verschiedene Richtungen ausformten, von Viktor Vasarelys systematischem Prinzip der unites plastiques bis zu Lygia Clarks experimentellem und partizipativem Neo-Konkretismus.
Diese Ausstellung präsentiert ausgewählte Werke der geachteten „Pionerin konkreter Kunst und Op Art in Österreich“ (*) und soll vor allem die Vielseitigkeit des Erbes Helga Philipps von Augen führen.
Diese Vielseitigkeit ist vor allem an die lange Tätigkeit der Künstlerin als Dozentin geknüpft: Von 1965, kurz nach Abschluss ihres Studiums an der damals so genannten Akademie für Angewandte Kunst in Wien, bis 2002, ihrem Todesjahr, wirkte Helga Philipp als Dozentin an eben dieser Hochschule. Die Künstlerin hatte an dieser Akademie Zugang zu sehr viel Dokumentation über die konkrete Kunst der Dreißigerjahre, den Werken Max Bills, Naum Gabos und anderer Schlüsselfiguren der Experimente der ersten Avantgarden wie Cercle et Carré oder Abstraction-Création. Ihrerseits schuf die Künstlerin selbst ein Dokumentationsarchiv über die damals zeitgenössische amerikanische Minimal Art und die Bewegungen rund um die Konzeptkunst, die zu diesem Zeitpunkt in Europa und Amerika aktuell waren. Der theoretische Beitrag Helga Philipps bewirkte eine ästhetische Debatte und bezog Position gegenüber den expressiv-subjektiven Tendenzen, die damals in Wien vorherrschten, und ihre Tätigkeit hatte einen bemerkenswerte Einfluss, der von einer ganzen Generation junger Künstler in Österreich und Mitteleuropa anerkannt wurde und wird und der bis die heutige Zeit fortwirkt.
Das Werk Helga Philipps unterliegt bestimmten unveränderlichen Prinzipien: Der ausschließliche Gebrauch geometrischer Formen, die Sparsamkeit bei den Elementen, die Wiederholung-Serialisierung sowie die systematische chromatische Reduktion, die von dem ausschließlichen Gebrauch des Schwarzen, Weißen oder Grauen bis zum Gegenteil reicht, den geordneten Farbpaletten, die heiße oder kalte Zonen evozieren und Wahrnehmungseffekte von Nähe oder Distanz hervorrufen. Diesen Minimalprinzipien gegenüber steht die Vielseitigkeit der Resultate: Im Werk Helga Philipps gibt es keine einheitlich verfolgte Richtung; wenn man die Daten der Arbeiten betrachtet, entdeckt man viele Fragenstellungen, welche die Künstlerin nicht fortlaufender Weise entwickelt wollte, die aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten Ihres Schaffens wieder in Erscheinung traten. Ihr gesamtes Werk kann als „offenes Kontinnum“ von Fragestellungen betrachtet werden, das viele Richtungen ermöglicht. Was die Künstlerin als Dozentin stets interessierte, waren nicht so sehr die Resultate, sondern die kritisch-analytische Dimension de eigenen Werkes.
Ganz allgemein betrachtet kann man bei den ersten Jahren Ihrer Laufbahn von einer eher experimentellen Periode sprechen was die Formate und Materialen (Kautschuk, Plastik, Möbel-Objekte wie Sitze, Paravents) betrifft; und dieser Periode häufen sich Kompositionen von Zufalls-Variationen von Elementen und Farben, welche die instabile Wahrnehmung durch das Auge –sehr im Op-Stil- anstreben. Man kann sagen, dass es sich um eine Periode des Suchens handelt. In ihrer reiferen Arbeit mit mehr Sicherheiten kann man von einer Vorliebe für das Konkrete und einer Zuwendung an die Malerei im engen Sinn des Wortes sprechen. Aber, wie gesagt, wenn man ausschließlich die Daten der Werke betrachtet, so handelt es sich nicht um einen einzigen Weg, sondern um verschiedene plastische, gleichzeitig vorangetriebene Forschungen.
Aus der Gesamtheit der Werke Philipps möchte ich die Grafit-Zeichnungen auf Papier hervorheben, wo man den Gestus der Hand in feinsten parallelen Linien erahnt, die mit gebrochenen Rhythmen eine gerade Linie verfolgen, um sich jenseits der Grenzen jedes Blattes fortzusetzen. Gleichzeitig zu diesen anmutigen Grafit-Strichen möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Prägedrucke in Büttenpapier lenken; diese sind Weiß auf Weiß gehalten und nur die scharfe Beobachtung ermöglicht es, die feinen Texturen wahrzunehmen. In Kontrast zur extremen Subtilität dieser Arbeiten steht die massive Kraft der an der Wand hängenden Objekte, die an der Grenze zwischen Malerei und Bildhauerei angesiedelt sind. Diese Objekte wirken wie architektonische Körper von illusorischer Dreidimensionalität und werden von in Schwarz und Grau gehaltenen geometrischen Figuren als Hintergrund und als Form gebildet.
Im Werk der Künstlerin finden sich viele Stücke, deren Teile Einheiten bilden; manche Teile entsprechen einander, sind Paare oder zeigen sich in Serie gemäß dem eingangs erwähnten Prinzip der Systematisierung. „Domino“ (1985-1987) besteht aus sechsundfünfzig Teilen von dem jeder, wie beim Gesellschaftsspiel Domino, mit dem vorhergehenden oder dem nachfolgenden in Beziehung steht, so dass alle Teile ein Kontinuum bilden, wo –je nachdem wie verfügt wird- waagrecht oder senkrecht verlaufende Abschnitte entstehen. Genau wie bei dem Gesellschaftsspiel ermöglicht diese Werk eine Vielzahl von Kombinationen und erlaubt, so wie das spielerische Prinzip der unités plastiques Viktor Vasarelys, bei jeder Gelegenheit, wo es ausgestellt wird, eine veränderte Neuschöpfung.
In Kontrast zu der Verschiedenheit der Trägermaterialen, welche das Licht reflektieren (Spiegel) oder durchscheinen lassen (Plexiglas, Glas), stehen die einfärbigen gemalten Oberflächen aus Öl oder Grafit, die mit den diversen Mattheiten des Schwarzen oder Grauen spielen. Als Gegensatz zu diese nüchternen achromatischen Extremen findet man die ausgedehnten Paletten von Primärfarben, die –in Kombinationen- einen starken visuellen Eindruck hinerlassen, und es dem Betrachten ermöglichen, die Wahrnehmungseffekte bei der Interaktion dieser Farben zu beobachten, ebenso wie die wechselseitige Harmonie oder Spannung (gezeigt im Wiener Parlament, 2002). Es handelt sich um eine schöne, „pixelierte“ Neuschöpfung der Farbe mittels Formen der Ordnung und Systematisierung.
Zuletzt genannt seien die Malereien von großem Format, die von dynamischeren und experimentellen Charakter der bisher beschriebenen Werke abweichen und der reiferen Periode entsprechen; es sind stabile Kompositionen mit einer klar festgelegten Mitte und einer Vorherrschaft quadratischer Formen, die miteinander verschachtelt sind. Sie beruhen auf der Basis der Farben Schwarz und Blau, einen intensiven, tiefen Blau, welches den Betrachter durch die Sinnlichkeit seiner Textur anzieht und gleichzeitig durch die strenge Einheit, die es mit der Mattheit des Schwarzen bildet, auf Distanz hält. Diese Kompositionen verfügen über eine sehr starke Ausstrahlung, die das Resultat eines bestimmten Punktes ist, der zwischen der Logik des Intellekts und der inspirierten Form einer kontemplativen Malerei gefunden wurde.
Mit dieser –wenn auch sehr reduzierten- Präsentation in FUGA hoffen wir zu einem besseren Verständnis des Werkes Helga Philipps beizutragen, einen Werk, welches in einem historischen Kontexte entwickelt worden ist, der nicht immer förderlich was, und das wir mit dem Vorteil, den uns die zeitliche Perspektive verleiht, zunehmend schätzen und hervorheben wollen.
Übersetzung aus Katalanisch: Heinrich Blechner
Katalog: “Tér & Geometria“
(*)- Brigitte Borchhardt Birbaumer: Katalog der Ausstellung „Helga Philipp- Poesie der Logik“, Landesmuseum
Niederösterreich 2009
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